Surreales

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Mann hinter dem Zaun, 1979

Surreales

Eine Verbindung zu Richard Lindner besteht, dessen Figuren oft in kompakten Rüstungen stecken, die Gesichter zu Masken erstarrt. Roboter sind seine Telefonierenden, Eilenden, auf den amerikanischen Straßen Hastenden, seine monströsen Lolitas, drallen Leoparden-Lillys und ledergepanzerten Amazonen, deren Brüste ebenfalls kugelig sind, aber keine Scharnierfunktionen besitzen, mit glitzernden Schlangenaugen, roten Mündern gleich Fallen.

Aber Lindner hat eine andere Farbigkeit, seine Farben sind plakativ und poppig. Es ist keine subtile Farbigkeit. Lindner setzt direkt um aus den gesehenen Szenen der Großstadtrealität. Er sexualisiert seine Gestalten, „God Money“ herrscht – amerikanische Realität.

Carl Lambertz entsexualisiert dagegen, steht abseits jeder Illustration in seiner starren Feierlichkeit. Seine mechanisierten Menschen sind zeitloser, aber auch verspielter, auch klassischer – denken wir an den „Mechanisierten Pan„, den Wald- und Weidegott der Griechen.

Carl Lambertz steht gelassener über den Robotern; ein Weltverbesserer zu sein, lehnt er ab. Dennoch bewirkt der Zeitgeist gleiche Umwelterlebnisse, und so kommt es oft zu ähnlichen Ergebnissen. Lindner ist Carl Lambertz verwandt.

Dies gilt auch für Rudolf Hausner, wenn auch sonst kein Weg von Carl Lambertz zu den Phantasten der Wiener Schule führt, d. h. zu Ernst Fuchs, Wolfgang Hutter, Erich Brauer, Anton Lehmden, zu einer versponnenen Mystik von Flora und Fauna, zum Mikrokosmos derer, die ihr abstruses Seelenleben als verbindliche Weltanschauung offerieren. Die lehnt Carl Lambertz ab, „denn sie hieronymus-boschen zuviel …“

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Das große Spiel, 1977

„Ich schätze an Rudolf Hausner seine großartige Technik, den glasklaren, psychorealistischen Stil bei aller Phantastik.“ Es ergibt sich einige Male stilistisch ein nahes Beieinander z. B. der Hintergrundlandschaft „Großes Spiel“ zur kalten Wüstenlandschaft des Analytikers Hausner.

Hausner sagt: „Von den klassischen Surrealisten trennt mich ihr exklusives Interesse am Unterbewußtsein, während mich Ratio und Logik ebenso faszinieren. Die Surrealisten präparieren das Unbewußte aus dem psychischen Zusammenhang heraus … und zeigen damit die eine Hälfte der Wahrheit …“

Carl Lambertz stimmt dem zu: „Ich gehe noch weiter, ich will nichts wissen vom Unbewußten als Dominante, denn jede Gefühlsregung und jeder etwa ausbrechende Automatismus wird sofort in Form gepreßt, in kontrollierte Form.“ 

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Mercedes, 1978

Die Worte von Max Ernst „Wenn die Vernunft schläft, singen die Sirenen“ gelten nicht für Carl Lambertz. Keine Halluzinationen, nicht Träume stehen am Anfang (nach Max Ernst entspringt der Traum dem schlafenden Leib, befreit den Körper aus dem leiblichen Gefängnis und gestattet ihm, in fremde, unverschlossene Bereiche hineinzuschweben). Nein, nicht Halluzinationen und Träume, sondern ungewöhnliche Dinge und Eindrücke sind es, die dann während eines exakten technischen und geistigen Prozesses verarbeitet werden.

Carl Lambertz‘ Welt wirkt magisch, gibt eine unheimliche und manchmal auch amüsante Vereinigung des Wirklichen mit dem Unwirklichen. Das Gefühlte steht dem Konstruierten gegenüber, das Komische dem Erhabenen und auch das Satirische dem Grotesken. Im sensiblen Umgang mit den Ausdrucksmitteln stellen sich die Visionen ein.

Als Künstler, dessen Originalität außer Frage steht, schafft Carl Lambertz zwar in surrealistisch/psychorealistischer Nachbarschaft, aber in einer unverwechselbaren eigenen Handschrift. Er gehört auch zu denen, die im „Aufstand des Objekts … das Vage, Unpräzise, Unkonturierte, Zufällige, das dem Surrealismus anhaftete, beseitigen“.

Aus: Karl-Heinz Hoyer, Carl Lambertz, S. 134 ff; dort auch die hier nicht wiedergegebenen Bilder.

  • Mann hinter dem Zaun, 1979
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