Monat: Mai 2022

Ausstellungen, Bücher

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Im Blumentopf

Ausstellungen

Bücher von und über Maria Reese

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Traumbild 1: Von Carl gehalten, 1996

Norbert Weber (Hrsg.): Blumenbilder von Maria Reese und Carl Lambertz mit ausgewählten Gedichten, Rendsburg:  Claudius Kraft 1979, ISBN 3-922165-03-6; Neuauflage 1994 hrsg. von Gynter Mödder im Schleswiger Druck- und Verlagshaus, ISBN 3-88242-111-8

Gynter Mödder: Landschaften – Ansichten. Bilder von Maria Reese und Carl Lambertz, Rendsburg: Claudius Kraft 1982, ISBN 978-3-922165-17-0

Dietlinde Hedwig Heckt/ Maria Reese: … und ich eine lächelnde Frau. Texte und Bilder, Kiel: Neuer Malik-Verlag 1987, ISBN 978-3-89029-952-5

Inge Titzck/ Maria Reese: Rechtecke vom Himmel. Gedichte, Hohenwestedt: Broschat 1995, ISBN 978-3-924256-56-2

Maria Reese/ Inge Titzck, in: Margit Huch/ Therese Chromik (Hrsg.), Schattenspiegel. 27 bildende und schreibende Künstlerinnen begegnen sich, um miteinander zu arbeiten, Lübeck: GEDOK Schleswig-Holstein 1997, S. 70-75, ISBN 3-7950-07-36-4

Maria Reese: In Bildern drückt sich meine Trauer aus. Abschied von meinem Mann, dem Maler Carl Lambertz, Stuttgart: Radius 2000, ISBN 3-87173-214-1

Maria Kindler-Reese: Allgegenwärtig. Erinnerung an Helmut Kindler in Text und Bild, Stuttgart: Radius 2009, ISBN 978-3-87173-984-2 

  • Im Blumentopf

Trauerbilder II

Trauerbilder II

1997 begegnete auch ich dem Au­tor und Gründer des Kindler Verlags und konnte mich ihm nie mehr entziehen.

Daß ein fast 85jähriger Mann mit einem riesigen Le­ben gegenüber einer ihm völlig unbekannten Frau Hei­ratsabsichten haben könnte, lag mir fern zu denken, und so bildete ich mir ein, sein Besuch gelte dem wei­ßen Atelier mit den vielen Bildern von Carl Lambertz und mir.

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Herzdame, 1997

Helmut Kindler kam nach Groß Wittensee und wußte, was er wollte. Mich. Er kannte mich so gut wie nicht. Natürlich, meine Stimme und Sprache vom Telefon, meine Handschrift von einer Karte mit dem Bild der »Herzdame«, das ich gemalt hatte. Und damit kann­te er mich ganz genau. Seine Sorge, ich könnte viel­leicht zwei Zentner wiegen, entkräfteten meine da­mals 55 kg. Ein Foto von mir hatte er nicht. Stark war die Kraft der Vorstellung. Ich hatte seine Autobiogra­phie gelesen – meine Bewunderung und Verehrung waren ihm sicher -, ihn im Fernsehen gesehen, kannte auch seine Stimme von den Telefonaten, war ange­tan und freute mich auf sein Kommen. …

Mehr unbewußt nahm ich wahr, als Helmut Kindler mir einen, farblich zum Atelier passend, superweißen, opulenten Blumenstrauß und Champagnertrüffel von Sprüngli überreichte, daß es ein Hochzeitsstrauß war. Daß ich meiner zweiten Ganzgroßenliebe in meinem Leben, meinem zukünftigen Traum- und Ehemann gegenüberstand, ahnte ich noch nicht, und daß er, der dreißig Jahre Ältere, mir sieben Jahre später schreiben würde: „Noch nie habe ich eine Frau so geliebt wie Dich …“, hat auch er sich sicherlich nicht ausgemalt. …

Während unserer gemeinsamen Zeit, schon vor der Hochzeit, gab es schöne Erlebnisse, Ereignisse: Helmut Kindler las und erzählte, stellte mich vor, ich bekam Blumen. In Schleswig-Holstein begleitete ich seine Lesungen mit meinen Bildern. Eine passende Kombination. Es machte allen Freude. Wir waren stolz aufeinander. …

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aus der Arbeitsfolge „Allgegenwärtig“, 2009: „Wer seine Wunde zeigt, dessen Seele wird gesund. Joseph Beuys“

Wir blieben glücklich, um die Wermutstropfen wis­send, die es am Ende zu schlucken galt, bis am 15. September 2008 der Kelch leer war. Durch eine Bronchitis, die die versiegende Lebenskraft meines Mannes nicht abwehren konnte, wurde unsere Ehe beendet.

Von gegenseitiger Liebe überschwemmt, war er beinahe 96 Jahre alt geworden. Mitte 2001 äußerte er: „Ich hoffe, dank Marias Liebe, sagen wir mal, meinen 95. Geburtstag noch zu erleben.“ Ich hätte mir den 100. gewünscht. Seine Absicht, ein Buch mit dem Titel „Liebe einst – Liebe jetzt“ zu schreiben, konnte Helmut Kindler, mein Jahrhundertmann, ein Naturereignis, nicht verwirklichen, auch nicht die Weiterführung sei­ner Autobiographie mit dem Titel „Fortsetzung“. …

Ich danke Helmut Kindler, meinem zweiten Mann, meinem Methusalem, daß sein Uralter in Liebe er mir schenkte, die Jahre, die Carl Lambertz, mein erster Mann, mir nicht konnte geben. In grenzenloser Frei­heit und Unendlichkeit die Seelen sich befinden. Kann ich das erfühlen?

ALLES HAT SEINE ZEIT: Der eine nicht ohne den ande­ren. Wir bekamen voneinander, was wir brauchten, als ganz großes Geschenk das Herz dazu. Helmut Kindler gerne mein Hilfsarbeiter war, Zulieferer, Berater, wie er zu sagen pflegte, eine dienende Rolle, die immer er schon hatte, genau wie ich. Als längst seinen alten Handstock wieder er benutzte, und meinen Arm als Stütze, wuchsen wir untergehakt, auch optisch, mehr und mehr zusammen. Nichts Unmögliches von uns verlangten wir, weshalb das Leben uns gelang. Eine Himmelsgabe, Diener zu sein.

Maria Kindler-Reese

Auszüge aus: Allgegenwärtig, 2009, S. 8, 10 f, 19 f, 23.

  • Herzdame, 1994

Trauerbilder I

Trauerbilder I

Maria Reese hält sich bei ihrer Trauergestaltung nicht an klassische Vorbilder der Malerei, die es auch gibt. Sondern sie gestaltet ihre Trauer um Carl Lambertz in ganz eigenständigen Bildern und zieht uns damit nicht nach unten in das Reich der Toten, sondern nach oben, ins Helle. Sie tröstet uns ebenso wenig wie sich selbst, sondern sie läßt uns teilhaben an der Tiefe und, ja, dem Genuß, den das Gestalten ihrer tiefen Gefühle vermittelt.

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Weinen um Dich, Tränen morgens, Tränen abends, 1996/97

Wie nebenher verwendet Maria Reese eine Fülle von traditionellen Symbolen und macht sie zugleich frisch und neu. Symbole wirken aus sich selbst, aber man nimmt sie noch besser auf, wenn man etwa über sie weiß.

  • Wir sehen Tränen in allen Formen, vor allem aber als Perlen und zu einem riesigen Tropfen gesammelt im Tal der Tränen. Der orientalischen Sage nach entstanden Perlen einst aus Tränen oder Tautropfen.
  • Sie zeigt uns den Kelch, aus dessen überströmender Fülle Tränen der Trauer und des Glücks der Liebe zugleich fließen. Der Kelch ist Symbol des Überflusses und zugleich des Herzens, welches das Lebensblut enthält, von Tod und Auferstehung Christi.
  • Wir sehen das blutende, liebende Herz.
  • Sie verwendet die Tulpe, das traditionelle Symbol der vollkommenen Liebe.
  • Sie malt das Entschwinden der Seele des Verstorbenen nach oben, wie der Geist sich vom Körper trennt und ihn leblos zurückläßt, aber selbst in der Höhe weiterlebt.
  • Auch das populäre Symbol vom Schlaf als Bruder des Todes wird neu gestaltet.
  • Die in den Himmel wachsende Herzenslilie verkörpert Reinheit, Auferstehung, Regeneration und Unsterblichkeit.
  • Bäume der weinenden Natur, die Himmel, Erde und Wasser und dynamisches Leben zugleich symbolisieren, werden dargestellt.
  • Der Mond selbst erscheint als tröstende Schwester einer trauernden Frau.
  • Die in den Himmel fliegenden Federn der Liebe symbolisieren Wahrheit und Triumph, die emporsteigen in die Höhe, den Himmel, die in andere Reiche steigende Seele.
  • Stigma“ nennt sie selbst ein Bild, das die klaffende Wunde Christi und das offene weibliche Geschlecht zugleich symbolisieren kann.
  • Schließlich sehen wir den Zauberer Merlin aus der Artus-Sage, der die Sterne vom Himmel holt.

Dies sind nur einige Beispiele. Wer die Bilder sorgfältig studiert, wird noch viel mehr Symbole finden.

Man muß keineswegs selbst trauern, um diese Wege von Gemüt, Tiefe und Schmerz mitzugehen, man kann sie durchaus emotional-ästhetisch genießen. Aber der Trauernde kann seiner Trauer die Bilder zuordnen. Er kann sie als Anregung für eigenes Gestalten nehmen. Er kann auch einfach die Bilder nachgestalten, verändern, erweitern, seinen eigenen Gefühlen und deren Ausdruck anpassen. Nicht jeder vermag aus sich heraus schöpferisch zu wirken. Aber das Schöpferische, auch das nachschaffende Schöpferische bleibt in jeder Lebenslage das, was dem Menschen die größte Befriedigung und Genugtuung verschafft und ihm die seelische Freiheit auch bei Trauer vermittelt.

Leben und Werk von Maria Reese und Carl Lambertz und die gemeinsame künstlerische Arbeit werden nicht nur in bezug auf das Hauptthema dargestellt. Vielmehr werden von alledem in verschiedenen Abschnitten immer wieder neue Aspekte beleuchtet. Auch die Art und Entwicklung der Liebesbeziehung beider wird nicht verdunkelt oder versteckt, sondern gezeigt. Sie begann auf skandalöse Weise mit der Liebe zwischen einer 17jährigen Schülerin und einem verheirateten 49jährigen Mann. Es folgten der offene Skandal und zehn Jahre des freien Zusammenlebens. Während sie Kunst studiert, wird er Lehrer an derselben Kunstschule. Dieser Zeit schließen sich weitere 24 Jahre einer glücklichen Ehe an, die erst mit dem Tod des 86jährigen Lambertz ihr irdisches Ende findet. Maria Reeses schöpferische Trauer gelingt; sie wird wieder offen für das Leben. Die letzten Seiten sind ihrer neuen Beziehung zu Helmut Kindler gewidmet.

Außer daß Psychotherapeuten für die Behandlung von Trauerreaktion zuständig geworden sind, gibt es ganz persönliche Gründe, warum ein Kölner Universitätspsychiater ein Geleitwort zu diesem Buch schreibt. Durch eine Laune des Schicksals bin ich der einzige, der alle Hauptpersonen dieses Buches kannte oder kennt. Carl Lambertz kannte ich schon vor Maria Reese. Mehrmals besuchte ich sein Atelier in Eckernförde, um eine Verwandte beim Ankauf eines Ölbilds zu beraten. Das Bild ist heute im Besitz meines Freundes Prof. Dr. Kurt Hübner in Kiel. Ich war auch einer der Gäste bei einem inzwischen offenbar legendären Atelierfest im Atelier Lambertz. Es war das einzige, das je stattfand. Maria Reese habe ich zwar erst viel später kennen gelernt, aber bei dem von ihr besonders herausgehobenen Maler-Lehrer Gottfried Brockmann war ich häufiger Gast, weil sein Sohn Jan Brockmann und ich demselben Freundeskreis angehörten. Zu dem Paar Nina und Helmut Kindler gab es über mehrere Jahrzehnte, bis zu Ninas Tod, ein enges berufliches und persönliches Band. Nina Kindler betreute einige Bücher von mir in der von ihr herausgegebenen Reihe „Geist und Psyche“, Helmut Kindler initiierte andere Bücher von mir im Verlag der beiden. Jedes Jahr während der Frankfurter Buchmesse hatten wir füreinander einen privaten besonderen Abend für den Austausch von Gedanken, Gefühlen, Meinungen und Erinnerungen reserviert.

Uwe Henrik Peters

Aus: Maria Reese, In Bildern drückt sich meine Trauer aus, 2000, S. 8 ff; dort auch die hier nicht wiedergegebenen Trauerbilder.

Frauenbilder

Frauenbilder

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Zwei Frauen im System, 1966

Auszug aus dem Tagebuch 1966:

Ein Lehrer der Kieler Muthesius-Werkkunstschule, Gottfried Brockmann, den ich als Maler besonders schätze (Neue Sachlichkeit), hat mich gestern in seinem Schulatelier zu dem Bild von mir „Zwei Frauen im System“ beglückwünscht. Er sagte, er wisse ja, dass ich mich bildnerisch ausdrücken könne und mich bereits frei gemacht hätte von dem hier gelernten.

Ich war sprachlos und bewunderte dann sein ca. 150 x 200 cm großes Bild „Der barmherzige Samariter“, das fast fertig auf der Staffelei stand. Sehr beeindruckend. Noch bevor mein Malunterricht bei ihm begann, kam er unerwartet auf meine Herkunft mütterlicherseits aus Dänemark zu sprechen.

Ich erzählte ihm, dass ich meine dänische Kusine, Margrethe Jepsen, immer beneidet hätte, weil sie kein schlechtes Gewissen zu haben brauchte wie ich als Deutsche, wenn auch als Nachgeborene. Die Dänen haben ihre jüdischen Mitbürger nicht verfolgt und umgebracht. …

Maria Reese

Aus: In Bildern drückt sich meine Trauer aus, 2000, S. 18.

Die „Dreiecksmadonna“ hat Maria Reese für das Müttergenesungswerk gemalt. In dem Bild entdeckt die Vorsitzende des Müttergenesungswerkes in Schleswig-Holstein, Rut Rohrandt, folgendes:

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Dreiecksmadonna, 1984

„Eine Frau ist eingebunden in ein Schema, hier ein Dreieck, ist festgefügt in eine Ordnung, die begrenzt und nur wenig Spielraum läßt. Die Familie – angedeutet durch die ältere Generation und das Kind – ist bestimmend in ihrer Welt. Sie steht vor dem Hintergrund einer bewegten Welt mit Höhen und Tiefen, ein bißchen Sterntalermentalität und dem Gebäude einer Kirche – mit hohen, unüberwindlichen Mauern und wenig Fenstern. In dem Dreieck – der Welt der Frau – fällt einmal die Vielfalt der Farben und Formen auf. Und die unterschiedliche Möglichkeit zu sehen auf ein großes, in die Welt sehendes Auge. Und dann die verbundenen Augen oder vielleicht ist es auch nur eine Brille, durch die immer eine besondere, vielleicht auch beschränkte Sicht von Welt möglich ist. Große Hände und Füße, die vieles fassen können und an allen Stellen zugleich sind.“

Aus: Nordelbische Kirchenzeitung 1984; abgedruckt in: Maria Reese, In Bildern drückt sich meine Trauer aus, 2000, S. 180; dort auch weitere Frauenbilder auf den Seiten 176 f und 181 f.

Vgl. zum Thema auch das Buch: Dietlinde Hedwig Heckt/ Maria Reese: … und ich eine lächelnde Frau. Texte und Bilder, Kiel: Neuer Malik-Verlag 1987.

  • Zwei Frauen im System, 1966

Landschaftsbilder

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Sommertag am Wittensee, 1986

Landschaftsbilder

„Sommertag am Wittensee“ – ein Bild,
das Carl besonders gern mochte.
Er schrieb:

Ein großes Rechteck
voller Himmelsbläue,
Blütenblätter und
Schmetterlingsflügel.
Eine Iris strahlt im zarten Violett
und in der Mitte
ein gelber Schmetterling,
der mir den Tag verklärt.

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Fünf Tulpen am Wittensee, 1973

Carl Lambertz

Mein Mann schrieb unter mein Bild:
„Fünf Tulpen schenke ich Dir.
Die zweite von links bin ich, die Dich küsst.“

Maria Reese

Es ist die Landschaft, in der sie geboren wurde, aufwuchs und heute lebt, welche Maria Reese in ihren Bildern immer wieder darstellt: Schleswig-Holstein. Meer, Förde, Strand, Äcker, Wälder, Knicks, das sind ihre Sujets. Und über allem der weite Himmel dieser nördlichen Region.

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Ecke 9, 1971

Zu Beginn ihrer Entwicklung malt sie Landschaften in bunten Farben, mit spielerischer Freude am Detail. Der Kutter „Ecke 9“ lädt dazu ein, mitzumachen bei der heiteren Fahrt über die Förde. Auf der Graphik „Kleiner Fischdampfer“ von 1970 tuckert nur der Dampfer bunt daher. Die Landschaft ist klare, einfarbige Fläche, ohne Blumen, ohne Bäume. Und dennoch gibt Landschaft dem Bild durch ihre formale Struktur, die sich in schwungvoller Verzahnung von Erde, Wasser und Luft ausdrückt, kraftvolles Leben.

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Kleiner Fischdampfer, 1970

Die scheinbare Reduktion in der Darstellung von Landschaft setzt sich konsequent fort. Später ist es nicht mehr die weite, offene Landschaft, die Maria Reese anregt, sondern die dünne Grenzfläche zwischen Erde und Himmel. Es interessiert sie, wie ein Maulwurfshügel die Kruste durchbricht, wie Blumen nicht nur über der Erde blühen, sondern ihr Leben vom Durchbruch zum Licht beziehen.

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Landschaft, 1981

Zunehmend ziehen Schlichtheit und Einfachheit als ästhetische Leitlinien die Künstlerin an. Und so sind es oft scheinbare Nebensächlichkeiten, flüchtige Eindrücke, die Maria Reese in ihren Bildern behutsam, fast bescheiden, vor dem Vergessenwerden zu bewahren sucht.

Ihre Bilder werden immer leerer, wie sich frühere Bewunderer ihrer Kunst immer distanzierter äußern. Ein Schlüsselbild ist „Landschaft“. Landschaft nicht im Aufblick, als farbige Augenweide, sondern im Querschnitt. Hier wird Landschaft als dünne Haut sichtbar, die sie in ihrer Verletzlichkeit tatsächlich ist.

Ein in diesem Buch nicht abgebildetes Werk zeigt nur noch eine mit dem Bleistift gezeichnete Linie, Grenze zwischen oben und unten. Bestürzend einfach erscheint die Möglichkeit, diese Linie mit einem einzigen Strich auszuradieren. Und so bietet diese Leere eine ergreifende Lehre. Die Paradoxie ist nur scheinbar.

Um im Wirrwarr der unzähligen Informationen eine klare Linie zu erkennen, um möglichst viel zu sagen, wo eigentlich Sprachlosigkeit lähmt, ist es zwingende Notwendigkeit, zur Reduktion zu finden. Unsere so unverständlich gewordene Welt ist nur noch mit Hilfe einfachster Symbole zu entschlüsseln und vielleicht zu begreifen.

Unbewußt vielleicht im oberflächlichen Sinne, aber geleitet vom sicheren Instinkt des künstlerischen Empfindens, bestreut Maria Reese zur Zeit ihr Papier mit kleinen Vierecken, Dreiecken, Sternchen, Punkten.

Es sind keine Detailaussagen mehr, die sie heute bewegen. Sie malt nicht mehr das private Glück einer Iris oder eines Sees. Solcher Wert ist heute vergängliche Vision. Dafür bietet Maria Reese mit ihren „leeren“ Bildern Landschaften, die von Botschaften nur so überquellen. Der Funke, der diese Pracht zu prickelndem Leben anzündet, muß die Phantasie des Betrachters sein.

Gynter Mödder

Aus: Landschaften-Ansichten. Bilder von Maria Reese und Carl Lambertz. Text: Gynter Mödder, Rendsburg: Claudius Kraft 1982; dort auch die hier nicht wiedergegebenen Bilder.

  • Sommertag am Wittensee, 1986

Blumenbilder

Blumenbilder

Als Maria Reese und Carl Lambertz mich baten, ihnen behilflich zu sein bei der Auswahl von Gedichten zu einem Buch über Blumen, da war ich reserviert und skeptisch.

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Aus dem Vorwort zu dem Buch „Blumenbilder“ von Maria Reese und Carl Lambertz mit ausgewählten Gedichten, 1979, S. 3.

Ich begann in den Seiten von schmalen Lyrikbänden nach Blumen zu suchen. Da konnte doch nichts Großartiges zu finden sein. Doch ganz allmählich und unerwartet fing ich an, Dinge wahrzunehmen, die mich ganz persönlich betrafen und zugleich betroffen machten.

Hinter der bunten Schönheit der Blumen schimmerte immer wieder eine Wahrheit durch, die die Ambivalenz und Gebrochenheit des menschlichen Daseins in seiner ganzen Widersprüchlichkeit faszinierend umreißt. Wie dicht beieinander liegen doch Blühen und Verwelken, Eros und Thanatos.

Ich sehe seitdem auch die Bilder von Maria Reese und Carl Lambertz mit anderen Augen. Die Blumen, zu farbenprächtigen Sträußen arrangiert, sind meist abgeschnitten und dem raschen Vergehen preisgegeben. Aber die Beständigkeit des gemalten Bildes rückt sie aus der Dimension der Zeit in eine Ebene, wo Hoffnung aufkommen kann.

Und ich meine, daß die vorliegenden Blumenbilder und -gedichte uns durchaus etwas zu sagen haben; so wie sie da stehen: jedes für sich, eigenständig und jenseits von Illustration oder bloßer Bildbeschreibung.

Norbert Weber

Heimatbilder

Heimatbilder

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Eckernförde, 1991

Mein Bild war ein Auftrag der Stadt, für den ich dankbar bin. In Eckernförde bin ich zur Welt gekommen, aufgewachsen und zur Schule gegangen. Das Original des Bildes fand 1991 seinen Platz im Amtszimmer des damaligen Eckernförder Bürgermeisters und heutigen Innenministers Klaus Buß. Inzwischen hängen Reproduktionen in zahlreichen Häusern meiner geliebten Stadt. Kürzlich erfuhr ich, dass ein Reprint in einer Partnerstadt von Eckernförde, in Tanga, im ostafrikanischen Tansania, im Sitzungssaal des dortigen Rathauses zu sehen ist, befestigt mit vier Reißzwecken. Klaus Buß hatte der Partnerstadt von Eckernförde bei einem Besuch als Gastgeschenk mein Bild mitgebracht.

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Kieler Hafen, 1966

Kiel, die Landeshauptstadt von Schleswig-Holstein, war die Stadt, in die ich 1961 zog, um bis 1966 an der Muthesius-Werkkunstschule, der heutigen Fachhochschule für Gestaltung, zu studieren. Kiel war aber auch die Stadt, in der 1962 meine Lebensgemeinschaft mit dem Maler Carl Lambertz begann, nachdem er im gleichen Jahr von seiner Frau geschieden worden war. Und Kiel war die Stadt, in der wir 1972 heirateten. 1973 nahmen Carl und ich Abschied von Kiel.

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Rendsburg, 1989

Rendsburg, die Kreisstadt am Nord-Ostseekanal, durch den an manchen Tagen 40 Schiffe geschleust werden, darunter auch Ozeanriesen, lag uns jetzt näher als Kiel, denn wir waren in Carls Atelier nach Groß Wittensee gezogen. Wir mochten Rendsburg, weil es nicht nur eine Industrie- und Handelsstadt war, sondern auch eine Stadt, in der schon damals die Kultur ihren Platz hatte. Es gab in Rendsburg das Landestheater, in dem ich dank Carl meine ersten Theater-Eindrücke in klassischen Aufführungen und Boulevardstücken erlebte. Inzwischen zeichnet sich Rendsburg durch eine Einrichtung aus, dem Dr.-Bamberger-Haus, einer restaurierten Synagoge und jüdischem Museum. Jüdische Künstler erhalten für Arbeitsaufenthalte Stipendien.

Maria Reese

Aus: In Bildern drückt sich meine Trauer aus, 2000, S. 12 f.

  • Eckernförde, 1991
    Eckernförde, 1991

Das Wesen Klang

Das Wesen Klang sichtbar machen

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Cellospielerin, 1936/37

Carl Lambertz, der Bild- und Klang-Töner vom Wittensee

Früh begann für den heutigen Altmeister am Wittensee, Carl Lambertz, am Niederrhein 1910 geboren, die Realität: Als Ältester von vier Geschwistern, aufgewachsen unter bedrückenden Bedingungen in einem schwierigen Elternhaus, mußte er bald für den Unterhalt der Familie mitsorgen. Das Klavier, auf dem Carl schon als Kind unermüdlich gespielt hatte, wurde verkauft, aber die Traum-Musik, die er vernahm, ließ sich nicht verdrängen. Hingebungsvoll lauschte er einem fernen Klavierspiel, saß stundenlang im Treppenhaus, um versonnen den Tonübungen der Nachbarskinder zu lauschen. Mit Phantasie entwickelte er eigene Musikinstrumente. Der Zehnjährige bespannte Zigarrenkisten und andere hohle Behältnisse mit Drähten und alten Darmsaiten und entlockte ihnen Töne und einfache Tonfolgen. Stundenlang spielte er sie glücklich – für sich.

„Jeder Ton hatte für mich seine eigene Schönheit. Heute weiß ich, es war ein Lauschen in die Urmusik“, erzählte der Maler.

Diese Urmusik, das Lauschen in sie hinein und der Versuch, sie ins Bild umzusetzen, blieb eines seiner Anliegen. Die Musik spielt im Leben und Arbeiten des Künstlers eine große Rolle bis zur Stunde.

Doch zunächst galt es, die Wirklichkeit zu erfassen. Die Auseinandersetzung des gelernten Kirchenmalers mit der „Neuen Sachlichkeit“ der zwanziger und frühen dreißiger Jahre in Düsseldorf bedeutete für Carl Lambertz eine Schule der Exaktheit. Seine Präzision, sein Hang zur formalen Klarheit, zur minutiösen Ausführung haben hier ihren Ursprung.

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Cäcilia, 1954

Während der Akademiezeit malt und zeichnet der Künstler Landschaften, meist aber Figuren, Akte, Köpfe und … Musizierende. So die „Cellospielerin“, eine Rötelzeichnung von 1936/37. „Doch erklang noch nicht die Musik, die in mir war. Und nach dem Krieg – ich überstand ihn als Marinesoldat in Eckernförde – blieb ich in Schleswig-Holstein, in Groß Wittensee und malte eine ‚heile‘ Welt.“

Aber begleitend entstanden doch realistisch-eindringliche graphische Dokumente der Unmenschlichkeit. Die Landschaften von Wittensee schließen sich denen vom Niederrhein an: reizvolle malerische Tafeln – und wieder eine Musik machende „Cäcilia“ von 1954, ein melancholisch-sentimental-starres Klavier spielendes Geschöpf. Das klimpert – mehr nicht.

Diese Lithographie zeigt aber die Hinwendung zur Fläche, die Möglichkeit der Wendung zur Abstraktion. Diese wird vollzogen in seinem „ornamentalen“ Stil, der sich dann später im „geometrischen“ noch steigert. Die ersten „mechanischen“ Musikgruppen entstehen, so die „Musizierenden Figuren“, ein Mörtelplattenbild von 1968, die dann zu den „Musizierenden Engeln„, zum „Engelskonzert“ und zu dem „Mechanischen Sextett“ führen.

„Das war es, nur so kann ich die Musik, die in mir ist, im Bild zum Tönen bringen, das Wesen Klang sichtbar machen, durch stark abstrahierte Verwandlung. Eine Verwandlung der starren Figuren an den Kirmesorgeln meiner rheinischen Heimat, die mich als Junge so beeindruckten…“, so Carl Lambertz.

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Engelskonzert 1969/70

Im „Engelskonzert“ (1969/70), eine kolorierte Radierung, schwebt ein Rotorengel mit Harfe über einem Zwitterding aus Spinett, Drehorgel und Laterna magica, bespielt von einer Engelsmarionette. Ihre Haare und schalartigen Flügel bewegen sich nach der Musik: melancholisch, klingelnd, surrend, übersinnenhaft. Links und rechts trommelt, rummelt und bläst es, scharf, gefährlich, wahrhaft eine Musik aus einer anderen, für den Irdischen nicht ganz ungefährlichen Welt.

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Mechanisches Sextett, 1974

In sechs schmalen gleichhohen Gehäusen steht ein „Mechanisches Sextett“ mit Gitarre, Trompete, Baßgeige, Triangel, Schlagzeug, Saxophon. Alle agieren im surrealen Übermut. Alle verströmen Töne, machen Musik, aber was für eine! Schräge, diagonale – es hupt und tingelt der Betrachter hört Urtöne, wie auch in dem Bild „Vor den Mauern von Jericho“ (um 1975).

„Bei Johann Sebastian Bach höre ich das, was ich sehe und male“, sagt Carl Lambertz, „Aufbau, Ordnung, Gesetzhaftigkeit und Bildform …“

Aber eine Bachsche Musik (wie bei Hans Jaenisch) ist es nicht. Es ist die eines Orff, es sind urtönige Klänge, ein schräger Jazz, ein brüllendes Kreischen, ein Donner, ein Quäken, ein Blasen. Es sind die Ton-Bilder der Moderne überhaupt.

Karl-Heinz Hoyer

In: Festival-Zeitung, Jahrgang 1993, Seite 6 (Sonnabend, 17. Juli 1993); wieder abgedruckt in: Maria Reese, In Bildern drückt sich meine Trauer aus. Abschied von meinem Mann, dem Maler Carl Lambertz, Stuttgart: Radius 200, S. 144 f.

  • Cellospielerin, 1936/37

Bücher

Bücher von und über Carl Lambertz

Norbert Weber (Hrsg.): Blumenbilder von Maria Reese und Carl Lambertz mit ausgewählten Gedichten, Rendsburg: Claudius Kraft 1979, ISBN 3-922165-03-6

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Titelbild der Autobiografie: Maria Reese, „Carl Lambertz sieht einen Engel über dem Wittensee“, 1975, kolorierte Radierung, 49 x 40 cm

Heimatgemeinschaft Eckernförde (Hrsg.): Carl Lambertz. Die Zeit stand still und verwandelte den Blick. Ein Bildband mit Textbeiträgen, Eckernförde: Druckhaus Schwensen 1989, ISBN 3-9802327-1-9

Carl Lambertz: Schmetterling, warum trägst Du Schwarz? Autobiographische Skizzen, Kiel: Nieswand 1993 (edition x), ISBN 3-926048-69-7

Gynter Mödder: Landschaften – Ansichten. Bilder von Maria Reese und Carl Lambertz, Rendsburg: Claudius Kraft 1982, ISBN 978-3-922165-17-0

Bodo Heimann: Von der Aktualität der Mythen. Zur neuen Phase im Schaffen von Carl Lambertz, in: Jahrbuch der Heimatgemeinschaft Eckernförde 42 (1984).

Karl-Heinz Hoyer: Carl Lambertz. Der Künstler und sein Werk, Rendsburg: Claudius Kraft o. J. (1985), ISBN 3-922165-22-2

Gynter Mödder: Engel und Geister. Vorgestellt in Bildern von Carl Lambertz, Neumünster: Wachholtz 1991, ISBN 978-3-529-02719-2

Gynter Mödder: Die Zeit stand still und verwandelte den Blick. Zum Leben und Tode des Malers Carl Lambertz, in: Jahrbuch der Heimatgemeinschaft Eckernförde 54 (1996) 9-22; Nachdruck 2010 im Verlag Ralf Liebe, Weilerswist.

Maria Reese: In Bildern drückt sich meine Trauer aus. Abschied von meinem Mann, dem Maler Carl Lambertz, Stuttgart: Radius 2000, ISBN 3-87173-214-1

Ausstellungen, Kunst am Bau

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Weltenzirkus, 1984

Ausstellungen

Sonderausstellungen (postum)

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Wandbilder PH Kiel, 1971
  • 2010: Carl Lambertz – Weltenzirkus, frühe Landschaften und Zirkus- und Theaterbilder im Museum Eckernförde (online auf eckernfoerde.net)

Kunst am Bau

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Dynamische Bewegungsfigur (Kronshagen)
  • Weltenzirkus, 1984
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